Am 12. Februar 2023 wurden mehrere Antifaschist:innen in der ungarischen Hauptstadt Budapest von den dortigen Behörden verhaftet. Vier Genoss:innen aus Deutschland, Ungarn & Italien sitzen seitdem in U-Haft, zwei weitere aus Deutschland werden europaweit mittels Öffentlichkeitsfahndung gesucht. Allen Betroffenen wird die Beteiligung an Angriffen auf Nazis rund um den „Tag der Ehre“ vorgeworfen. Insgesamt acht Faschist:innen wurden an mehreren Tagen von Antifaschist:innen angegriffen und verletzt – darunter hauptsächlich deutsche Nazis. Diese waren nicht zufällig in Budapest – jedes Jahr findet um den 12. Februar herum dort einer der größten Naziaufmärsche in ganz Europa statt. Die Faschist:innen gedenken mit ihren Aktionen einer Gruppe von SS- und Wehrmacht-Soldaten, die 1945 – nach der Befreiung des Landes durch die Rote Armee – versuchte, eine sowjetische Umzingelung zu durchbrechen.
Dieses Jahr veranstalteten die Faschist:innen – viele in voller Military-Montur – einen kilometerlangen Marsch, der die damalige Fluchtroute ihrer historischen Vorbilder beschreibt. Knapp 2000 Menschen nahmen teil. Das geschichtsrevisionistische Event, das – wie so üblich – faschistische Massenmörder zu Opfern stilisiert, wird von den Organisator:innen gern verharmlosend als „Sportveranstaltung“ oder „Wanderung“ bezeichnet. Besonders bei deutschen Faschist:innen ist der Marsch beliebt, da man in Ungarn wegen der extrem rechten Regierung und teilweise sympathisierenden Behörden recht unbehelligt marschieren kann und auch verbotene Symbolik wie SS-Uniformen, Hitlergrüße usw. zur Schau stellen kann.
Der antifaschistische Widerstand in Ungarn ist leider aufgrund der harten Repression und der allgemein extrem rechten Stimmung nicht sonderlich stark – dennoch gab es verschiedene Protestaktionen am Rande des Marsches, an denen sich etwa 150 Menschen beteiligten. Hierbei wurden mehrmals Antifaschist:innen und auch Pressevertreter:innen von Nazis angegriffen.
Während die faschistische Gewalt eigentlich keinerlei Öffentlichkeit erfährt, werden die Angriffe auf die Nazis und die Verhaftung der Genoss:innen zum medialen Großevent hochstilisiert. Die öffentliche Medienhetze gegen antifaschistische Aktivist:innen kommt in dem vom rechten Harderliner Orbán regierten Ungarn nicht von ungefähr. Sie reiht sich aber auch in der BRD in einen Trend ein, offensiven, militanten Antifaschismus auf die gleiche Stufe mit faschistischem Terror zu setzen und ihm damit jegliche Legitimität abzusprechen. Das zeigt sich im groß inszenierten Schauprozess gegen teilweise inhaftierte Antifaschist:innen in Ostdeutschland, genauso wie bei den Verfahren in Stuttgart gegen zwei – ebenfalls inhaftierte – Antifaschisten, die am Rande einer Querdenken-Großdemonstration drei Faschisten verletzt haben sollen.
Dass konsequentes antifaschistisches Handeln aber unabdingbar bleibt, zeigt ein Blick auf die gesellschaftliche Realität in diesem Land. Zweistellige Wahlergebnisse für die „AfD“, rechte Massenaufläufe – auch im Westen der Republik, faschistischer Straßenterrror, brennende Geflüchtetenunterkünfte, faschistische Terroranschläge, rechte Netzwerke in Polizei und Justiz …
Wer die Rechten daran hindern will, weiter zu erstarken, kommt nicht umhin, sich ihnen entgegen zu stellen – auf allen Ebenen, die notwendig sind. Ein gewichtiger Teil davon ist und bleibt das konsequente und offensive Vorgehen gegen Nazis. Aber am Ende werden wir als antifaschistische Bewegung den Kampf nicht rein militant bestreiten können, sondern kommen nicht umhin, gegen die Rechten politisch zu gewinnen. Dazu brauchen wir auch einen breiten, von vielen Menschen getragenen und organisierten antifaschistischen Widerstand.
In diesem Sinne solidarisieren wir uns mit den beschuldigten Antifaschist:innen und wünschen den Genoss:innen in ungarischer U-Haft und denen, die sich dem Zugriff der Repressionsbehörden entziehen konnten, viel Kraft und Durchhaltevermögen.
Antifaschistische Aktion Süd, Februar 2023