Dennoch: das ständige reagieren auf die Ankündigungen und folgenden Aktionen der Faschisten hat die aktiven AntifaschistInnen in der Doppelstadt gefordert. Nur selten blieb die Möglichkeit, unabhängig von den Aufmärschen der Rechten, eigeninitiativ zu handeln oder gar in die Offensive zu gehen. Die zurückliegende Zeit seit dem Jahresbeginn 2015 war geprägt vom Reagieren.
In den folgenden Monaten gelang es jedoch die Situation zu drehen. Kein Aufmarsch von „SBH-Gida“ oder „Nein zum Heim SBH“ konnte ungestört ablaufen, unter dem Schutz hunderter Polizisten führten die Rechten ihre Versammlungen durch, zahlenmäßige Teilnehmererfolge konnten sie nur mit überregionalen Mobilisierungen erreichen.
Durch das kontinuierliche antifaschistische Engagement, brachten sich neue Personen mit ein. Trotz anstrengender Geschäftigkeit kam es so zu einer zunehmenden Verankerung der antifaschistischen Strukturen in der Doppelstadt.
Im Frühjahr 2016 war absehbar, dass die Faschisten ihren Aktionismus zurück schrauben würden, „SBH-Gida“ und „Nein zum Heim SBH“ hatten sich nach und nach totgelaufen.
Aktionen und Veranstaltungen im Rahmen der Kampagne
Mit dem Start der Kampagne „Antifa – Solidarisch & Konsequent“ begann ein vielseitiges und selbstbewusstes Handeln. Denn hauptsächlich waren es die, immer wieder von Teilen des bürgerlichen Lagers verteufelten AntifaschistInnen, welche den Rechten Einhalt geboten.
Aus dem Aufruf zur Kampagne: „Klar ist, nicht alle teilen die Aktionsformen der anderen, doch umso wichtiger ist es dennoch solidarisch zusammen zu stehen. Die Breite des antifaschistischen Widerstandes gilt es auszubauen. Vielfältige, unterschiedlich parallel laufende Aktionen ergänzen sich gegenseitig und ermöglichen dabei für mehr Menschen die Partizipation an antifaschistischen Aktionen.
Wir, die Antifaschistische Aktion [O] VS, reichen allen, welche den Rassisten und Faschisten in der Region einen kontinuierlichen und entschlossen Protest entgegenstellen. die Hand. Abseits von politischen Streitigkeiten gilt es die Vielfältigkeit antifaschistischer Arbeit zu akzeptieren und gemeinsam der extremen Rechten einen starken Widerstand entgegen zu stellen.“
Genauso hatte sie das Ziel die Wichtigkeit antifaschistischer Aktionen auf verschiedenen Ebenen und mit den unterschiedlichsten Mitteln zu verdeutlichen. So waren auch die Aktivitäten, welche im Rahmen der Kampagne oder angelehnt an sie stattfanden, vielseitig. In der Öffentlichkeit eingeläutet wurde die Kampagne mit mehreren Plakatieraktionen in Villingen-Schwenningen und in den umliegenden Dörfern.
Antifaschistischer Infostand in Schwenningen
Ende Mai folgte ein Stand in der Schwenninger Fußgängerzone, bei welchem die Präsentation antifaschistischem Engagements in seiner Vielfallt im Vordergrund stand. Neben einer Graffiti-Aktion und einem Textildruck-Angebot, stellte sich auch das Offene Antifaschistische Treffen VS vor.
Im voraus öffentlich angekündigt, lockte der Stand zahlreiche Menschen an. Die etwa Zehn AntifaschistInnen am Stand informierten über den ganzen Tag Interessierte und verteilten dabei zahlreiches Kampagnenmaterial.
Außer der „Dumpfbacke“ Bernd Michi, welcher in Schwenningen wohnt und zum übriggebliebenen Kreis von „SBH-Gida„ zu zählen ist, ließen sich keine Faschisten blicken. Auch Bernd Michi strahlte an diesem Tag nicht gerade vor Selbstbewusstsein.
Vortragsveranstaltung „Die rechte Szene in der Region – führende Akteure und Köpfe“
Im Rahmen der Veranstaltung informierte ein aktiver Antifaschist über die Zunahme der Aktionen von Rechten in Villingen-Schwenningen und beleuchtete dabei auch die dahinter stehenden Strukturen. Zu nennen sind hierbei vor allem der NPD Kreisverband Konstanz-Bodensee und die Partei „Der Dritte Weg“.
Der Einladung zu der Veranstaltung am 2. Juni, welche in Kooperation der Antifaschistischen Aktion [O] VS und dem Offenen Antifaschistischen Treffen VS organisiert wurde, folgten zahlreiche Personen.
Widerstand gegen „Nein zum Heim SBH“
Für den 12. Juni hatte „Nein zum Heim SBH“ einen sogenannten Mittagsspaziergang in Tuttlingen angekündigt, ruderten jedoch zurück und bewarben letztlich nur wieder eine stationäre Kundgebung.
Am 12. Juni war der Aufmarschort der Faschisten großräumig von Polizeikräften abgesperrt, in der gesamten Innenstadt und am Bahnhof war die Polizei ebenfalls stark präsent.
Im Vorfeld kam es zu genauen Absprachen zwischen „Nein zum Heim SBH“ als deren Anmelder Karl Leiber fungierte, und der Polizei. So ließen sich die Rechten ihren Parkplatz schützen. Der nur wenige hundert Meter lange Weg zur Kundgebung, welche unter dem Motto: „Gegen islamischen Terror“ stand, war komplett abgeriegelt, gegen antifaschistische Aktionen sollten zusätzlich Gitter schützen.
Schlussendlich zeigte der Tag in Tuttlingen deutlich die Schwäche der Faschisten, lediglich zwanzig von ihnen versammelten sich zu der Kundgebung. Fast alle davon waren bekannte Gesichter aus der Region und dem Bodensee Raum.
Faschisten aus der Deckung holen
Dem, auf der Kundgebung breit grinsenden und mit einer „großen Klappe“ auftretenden, Sebastian Schmidt verging das Lachen wenig später. AntifaschistInnen hatten ihn Montag Abends an seinem Wohnort in Bad Dürrheim / Unterbaldingen besucht.
Am Haus, das direkt an der Hauptstraße liegt, wurde mit Farbe auf den dort lebenden Faschisten verwiesen, die Reifen seines Autos wurden aufgestochen und dieses ebenfalls mit Farbe markiert.
In der selben Nacht wurde zudem im Umfeld der Firma Pajunk in Geislingen, bei der Sebastian Schmidt arbeitet, mit Plakaten auf ihn aufmerksam gemacht.
Siebdruck und Graffiti bei antirassistischem Fußballturnier
Das Offene Antifaschistische Treffen VS beteiligte sich mit einem Infostand beim, von „VS ist bunt“ organisierten, Fußballturnier. Das offene Treffen reihte sein Engagement dabei unter die Kampagne „Antifa – Solidarisch & Konsequent“ ein.
An diesem Samstag, den 25. Juli, boten die AktivistInnen aus dem offenen Treffen Grafitti sprühen, Siebdruck zum selbst gestalten, sowie Infos rund um faschistische Aktivitäten in der Region und das Engagement dagegen, wie etwa die laufende Kampagne der Antifaschistischen Aktion [O] VS, an.
Es gibt kein ruhiges Hinterland – antifaschistische Präsenz in St. Georgen
Bereits um neun Uhr waren am Samstag, den 16. Juli, zahlreiche AntifaschistInnen in St. Georgen unterwegs. Wenig später stand auf dem Marktplatz ein antifaschistischer Infostand. Bis 14 Uhr informierten sich dort immer wieder BesucherInnen des Wochenmarktes und PassantInnen.
Seit Jahren können sich Faschisten in St. Georgen beinahe ungestört bewegen, zusammen kommen und sich vernetzen. Angegliedert an das Wohnhaus Ralph Kästners ist die, von ihm so genannte, „Methalle“. Dabei handelt es sich um einen, zu einem Veranstaltungsraum ausgebauten, Schuppen.
Ralph Kästner stellt diesen für Konzerte, Vorträge und auch Treffen, wie zum Beispiel für die NPD, zur Verfügung. Darüber hinaus ist er selbst eine der aktiven Personen der hiesigen faschistischen Kreise. Dies, so wie das mangelnde antifaschistische Engagement in der Stadt, sind Grund dafür, dass sich St. Georgen zum Rückzugsort für Faschisten entwickelt hat.
Bereits im Vorfeld wurde auf der Facebookseite von „Nein zum Heim SBH“ gegen den öffentlich angekündigten Infotisch mobil gemacht und aufgerufen diesen „nicht zu tolerieren“. Vormittags sammelten sich am Wohnhaus Ralp Kästners mehrere Faschisten, unter anderen Karl Leiber und weitere Personen, auch aus dem Bodensee Raum. Immer wieder versuchten Faschisten an den Infotisch heran zu kommen um zu fotografieren.
AntifaschistInnen, welche Störversuche der Rechten bereits im Voraus unterbanden, wurden von der eingesetzten Polizei kontrolliert. Im Laufe des Tages wurden zudem sechs AntifaschistInnen von der Polizei vorübergehend festgehalten und kurzzeitig auf das örtliche Revier gebracht.
JN Schwarzwald Bodensee „Gründungsfeier“ in St. Georgen
Etwas kleiner als angekündigt fiel am 6. August die Gründung des JN-Stützpunkts Schwarzwald Bodensee aus. Lange in voraus angekündigt und zwischenzeitlich vom 30. Juli um eine Woche in den August verschoben, fand sie wie angekündigt „Nähe Schwarzwald“ im tiefsten Schwarzwald in St.Georgen statt.
Die offizielle Gründung geht ebenso wie die damalige Gründung des 2015 kurzzeitig bestehenden „Freikops Villingen-Bodensee“ auf den NPD Vorsitzenden des Kreis Konstanz-Bodensee Tim Belz zurück.
Bereits um 15 Uhr begrüßte Tim Belz mit Bier in der Hand die beiden ersten ankommenden Aktivisten aus dem Bodenseeraum. Über den Nachmittag hinweg reisten die restlichen Teilnehmer der Feier an, sodass zur „Saalveranstaltung“ in dem als „Methalle“ betitelten Anbau der Immobilie von Ralph Kästner letztlich knapp 15 Nazis der großspurig angekündigten „Gründungsfeier“ beiwohnten. Nach dem Ende des offiziellen Teils ging die Veranstaltung schnell in eine Art Gartenparty über.
Nach den letzten mehr oder weniger gescheiterten Aktionen auf der Straße wie „Nein zum Heim SBH“ in Tuttlingen oder der „Merkel Muss Weg“ Demonstration am 25. Juli in Radolfzell zu welcher sich etwa 15 Faschisten versammelten, kann die JN Gründung als weiterer Versuch von Tim Belz gesehen werden sich als faschistischen Kader zu profilieren.
Fazit und Ausblick
Mit der Kampagne gelang es nach eineinhalb Jahren beinahe reiner „Feuwehrpolitik“ gegen die Aktionen der extremen Rechten in Villingen-Schwenningen zu einer selbstbestimmten Arbeit zurück zu kehren und dabei den Zeitpunkt, sowie die Art und Weise antifaschistischer Intervention zu bestimmen.
Das weiterhin viel Aufmerksamkeit auf der organisierten und konsequenten Antifaarbeit liegen muss, hat sich im Laufe der Kampagne deutlich gezeigt. Denn auch wenn es um den Kreis von „SBH-Gida“ ruhig geworden ist und die versuchte Mobilisierung von „Nein zum Heim SBH“ als gescheitert gesehen werden kann, ist die extreme Rechte in der Region alles andere als untätig:
Die Partei „Der Dritte Weg“ versucht in der Region aktuell an Einfluss zu gewinnen und sich im Lager der extremen Rechten durchzusetzen. Aggressiv ist die recht junge Kleinstpartei dabei, regionale Strukturen zu schaffen und zu festigen. Dutzende Aktionen von „Der Dritte Weg“ in Villingen-Schwenningen, Singen, Rottenburg am Neckar, Reutlingen oder Göppingen zeigen wie aktiv diese Partei derzeit ist.
Die NPD versucht sich ebenfalls in der Region besser aufzustellen. Wieder ist es der NPD Kreisverband Konstanz-Bodenssee unter Tim Belz der dabei die Initiative ergriffen hat. Sowohl Jürgen Schützinger, wie auch der gesamten NPD Kreisverband Schwarzwald-Baar treten dabei kaum in Erscheinung.
In St. Georgen besteht Handlungsbedarf. Mit der „Methalle“ verfügen die Faschisten dort über, für sie wichtige, Veranstaltungsmöglichkeiten. Die Räume Ralph Kästners bieten ihnen die Möglichkeiten zu Vernetzungs- , Partei- und Gruppentreffen. In der Stadt selbst können sich die lokalen Faschisten im Alltag beinahe ungestört bewegen. Eine, in der Öffentlichkeit geäußerte Ablehnung gegen diese oder auch das Nazizentrum „Methalle“ gibt es de facto nicht.
Doch nur durch Engagement gegen die Hetze von rechts und das direkte Eintreten gegen Faschisten, werden wir der Rechten nicht beikommen. Den plumpen und falschen Lösungsvorschläge auf die gesellschaftlichen Probleme dieser, müssen wir unsere Alternative zur kapitalistischen Ausbeutung und Vereinzelung entgegensetzen.
Nur eine Gesellschaft, welche auf dem Prinzip der Solidarität aufbaut, und die Wirtschaft zum Wohle aller ausrichtet, in der die Menschen gleichberechtigt sind, egal ob Frau oder Mann, egal woher sie kommen und welche Hautfarbe sie haben, wird mit dem Hass der Rechten und der faschistischen Gefahr endgültig brechen.
Die antifaschistische Aktion aufbauen. Für eine solidarische Gesellschaft.