Am 2. Mai 2022 haben Polizisten in Mannheim während einer Festnahme einen Mann brutal misshandelt und umgebracht. Die zwei Beamten des Mannheimer Innenstadtreviers H-4 waren gerufen worden „um dem Mann zu helfen“. Videos zeigen wie sie ihn schlussendlich mit Pfefferspray angreifen, auf dem wehrlosen Mann knien und ihm mehrfach ins Gesicht schlagen. Kurz darauf ist der Mann nicht mehr am Leben. Für seinen Tod sind alleinig die beiden Polizisten verantwortlich.
Wir sind traurig und wir sind wütend – überrascht sind wir nicht. Mannheim ist kein Einzelfall. Regelmäßig sterben in diesem Land Menschen in Polizeigewahrsam, oftmals aus rassistischen Gründen. Über 180 Fälle sind seit 1990 dokumentiert. Die Dunkelziffer dürfte um ein Vielfaches höher liegen. Das die bundesdeutsche Polizei Menschen misshandelt und umbringt ist traurige Realität und hat System.
Der Tote in Mannheim ist einer, den sie – dank vieler Videos und mutiger Zeug:innen – nicht vertuschen können. Was nicht heißt, dass sie es nicht versuchen oder den Tod mit einer Täter-Opfer-Umkehr legitimieren. Die mit LKA-Funktionären hochkarätig besetzte Pressekonferenz zeigt, dass das Hauptanliegen nicht etwa die Aufklärung der Tat, sondern das Abwenden bzw. Kanalisieren der sich regenden Wut ist.
Dafür versuchen sie offensichtlich die Ermittlungen zu Verschleppen und lassen sich für die Obduktion gleich mehrere Wochen Zeit. Und auch im Mannheimer Fall wird eine Täter-Opfer-Umkehr vorgenommen. In dem Wissen, das Menschen mit psychischen Krankheiten nach wie vor eine gesellschaftliche Tabuisierung und Ächtung entgegen schlägt, betonen sie immer wieder, der Tote sei zuvor in medizinischer Behandlung gewesen. Damit soll suggeriert werden, das die beiden Polizisten gar nicht anders handeln konnten.
Und auch wenn die LKA-Spitzen mit dem Verweis auf den „deutschen Pass“ des Getöteten versuchen den Rassismusvorwurf vom Tisch zu wischen, wissen wir: Rassismus spielt im Kontext polizeilichen Handelns immer eine Rolle – wer etwas anders behauptet verschließt entweder die Augen vor der Realität oder lügt.
Er wird konkret, wenn es darum geht wer wann und wo kontrolliert wird. Er wird konkret, wenn es darum geht wie Menschen bei Kontrollen behandelt werden. Er wird konkret wenn Menschen aufgrund ihrer äußeren Merkmale bestimmte Eigenschaften zugeschrieben werden.
All das ist Alltag in polizeilichem Handeln, gerade in der Quadratestadt Mannheim, die wie kaum eine andere Stadt in Baden-Württemberg geprägt ist von einer Einwanderungskultur.
Wir sagen: In einem System, in dem die Behörden Menschen töten anstatt ihnen zu helfen läuft etwas grundlegend falsch. Der Mannheimer Fall ist keine Ausnahme, er bestätigt vielmehr die Regel.
Die deutsche Polizei ist keine neutrale Akteurin oder eine für allgemeine Gerechtigkeit sorgende Instanz. Im Gegenteil. Die Polizei ist in einem bürgerlichen Staat wie der Bundesrepublik ein Mittel zur Aufrechterhaltung der bestehenden Herrschafts- und Eigentumsverhältnisse da. Es ist ihre Aufgabe all jene, die offen gegen das kapitalistische System revoltieren, zu unterdrücken, all jene, die in der Verwertungslogik des Kapitals keinen Platz mehr haben, zu disziplinieren und all jene, die die rassistische Spaltung trifft, ihren Platz in der Gesellschaft ein zu hämmern.
Am heftigsten bekommen das die Menschen zu spüren, die aufgrund ihrer gesellschaftlichen Stellung am wenigsten zu verlieren haben – Arme, Obdachlose, psychisch Erkrankte, Geflüchtete, …
Für die Legitimation der kapitalistischen Freiheit sind in der propagierten Theorie alle vor dem Gesetz gleich. Doch die Behörden kennen ihre eigentliche Rolle in diesem System nur zu gut, wenn sie ein vielfaches ihrer Ressourcen zur Gängelung migrantischer Jugendlicher, zur Kleinhaltung linker Bewegungen und zum Abschieben Geflüchteter verwenden, als zum Beispiel zur Aufdeckung des milliardenschweren Raub öffentlicher Gelder durch die Cum-Ex-Geschäfte.
Die Tat in Mannheim geschah nicht als Einzelfall, nicht aus subjektive Motivation oder der Unfähigkeit einzelner Beamt:innen. Sie ist das traurige Resultat eines Systems, das der Polizei die Freiheit und die Legitimation für brutale Gewalt nicht nur lässt, sondern für ihre Ordnung notwendig macht.
Es mag sein, dass noch nicht alle Fakten zum 2. Mai auf dem Tisch liegen. Doch für uns sind die, die die bereits vorliegen, ausreichend. Wir kennen die Sequenzen in den Videos, in denen Polizisten auf einen am Boden liegenden Menschen einprügeln. Wir kennen die Aussagen von Zeug:innen über das brutale Vorgehen der Polizei und deren Versuche unmittelbar danach durch Drohungen das Geschehene zu vertuschen. Und wir kennen das Ergebnis: Ein toter Mensch.
Das alles ist Grund genug wütend auf die Straße zu gehen. Wir schauen nicht zu, wie die Polizei Menschen umbringt. Eine lückenlose Aufklärung der Tat ist wichtig. Uns muss aber bewusst sein, dass es sie nur durch offensiven Druck von unten erzwungen werden wird.
In vielen Städten gibt es zum Wochenende hin Demonstrationen und Aktionen gegen Polizeigewalt und Rassismus. In Mannheim organisiert ein Bündnis eine Großdemonstration am Samstagabend. Wir rufen alle auf, sich an den Aktivitäten zu beteiligen oder eigene Aktionen auf die Beine zu stellen!
Mannheim war kein Einzelfall.
Überall Polizei – nirgendwo Gerechtigkeit!
Antifaschistische Aktion Süd, 5. Mai 2022