Im Mai traten in Villingen-Schwenningen zur Gemeinderats- und Kreistagswahl sowohl die extrem rechte DLVH (Deutsche Liga für Volk und Heimat), als lokaler Ableger der NPD, und, die erst im Frühjahr 2013 gegründete, rechtspopulistische AfD (Alternative für Deutschland) an. Zeitgleich fand auch die Europawahl statt, zu der ebenfalls die AfD und aus dem faschistischen Lager die NPD antrat.
Die Ergebnisse und Aktivitäten der Rechten im Zuge des Wahlkampf zeigen uns, in welcher Verfassung die gegnerische Seite ist. Zum einen, was die Fähigkeit zu Aktionen angeht und zum anderen, die Zustimmung, die sie in die der (wählenden) Bevölkerung haben.
Die AfD
Rechtspopulismus wird salonfähig
Die „Alternative für Deutschland“ hat sich zur Bundestagswahl 2013 als Sammelbecken für Rechte und Marktradikale gegründet. Seitdem hetzen sie populistisch gegen MigrantInnen und sozial Schwache, wobei sie gerne Thesen á la Thilo Sarrazin benutzen, wie etwa eine Unterteilung in wirtschaftlich verwertbare und nicht verwertbare MigrantInnen oder eine Hetze gegen sozial schlechter Gestellte. In ihren Reihen finden sich viele, die davor in anderen rechtspopulistischen Projekten oder als bekennende Faschisten, wie der Kleinpartei „DIE FREIHEIT“ oder dem Netzwerk „Politically Incorrect“ aktiv waren.
Die Führung wird dabei von Rechtskonservativen und Marktradikalen wie etwa Beatrix von Storch oder Bernd Lucke gestellt, die sich schon seit Jahren immer wieder mit Forderungen nach einer kompletten Streichung von Sozialhilfe, der Rückgängigmachung von Enteigungen des Adels und massiven Lohnkürzungen politisch positionieren.
Aktive Umtriebe: Die Strukturen der AfD bei uns
Der Kreisverband der AfD organisierte lediglich in Villingen-Schwenningen und Donaueschingen Listen für die Gemeinderats- und Kreistagswahl.
Im übrigen Kreis trat die AfD auf kommunaler Ebene nicht an, genausowenig gelang ihr das in den Nachbarkreisen Rottweil und Tuttlingen. Die mit 40 Kandidaten volle Gemeinderatsliste der AfD in Villingen-Schwenningen erhielt bei der Wahl 5,6 Prozent und errang dabei zwei Mandate für Dirk Caroli und Jan-Christoph Uhl. Bei der Kreistagswahl lag das Ergebnis der Rechtspopulisten in VS mit 5,7 Prozent knapp über dem Ergebnis der Gemeinderatswahl, bei der Europawahl lag das Ergebnis mit 10,2 Prozent drei Prozentpunkte über dem bundesweiten Ergebnis und 2,2 Prozentpunkte über dem baden-württembergischen Durchschnitt.
Villingen-Schwenningen muss man daher leider gewissermaßen als eine „Hochburg“ der AfD ansehen. Gründe dafür sind wohl zum einen das von Konservativismus geprägte politische Klima in der Region und zum andern, die sehr aktiven Strukturen der AfD. So führten sie in VS im Voraus der Wahlen vier Infostände durch und waren bei mehreren parteiübergreifenden Veranstaltungen in der Doppelstadt dabei.
Drohungen und Hetze: Die Kandidaten
Die AfD ist generell bemüht sich bieder zu präsentieren. Dabei gelingt ihr das recht gut, in den Medien präsentieren sich die Führer als „Wirtschaftsprofis“, wie etwa Bundesvorsitzender Bernd Lucke und als erfolgreiche Geschäftsleute, wie hier lokal etwa der Versicherungsmakler und Spitzenkandidat Dirk Caroli oder der Gastronom Jan-Christoph Uhl.
Dabei ist letzterer zum Beispiel im September 2013 aufgefallen, als er bei einer antifaschistischen Kundgebung vor dem Nazitreff „Easy Corner Pub“ in Schwenningen AntifaschistInnen abfilmte und zur Rede gestellt sagte, er sei NPD-Mitglied. Auch im Vorfeld zu den Wahlen am 25. Mai fiel er auf, als er eine Antifaschistin auf Facebook mit einer Anzeige drohte, weil diese ein Bild von ihm ins Internet gestellt haben soll. Der Betreiber der Schwenninger Gaststätten „Expressguthalle“ und „Ostbahnhof“ ist außerdem Betreuer der Facebook-Präsenz des AfD-Kreisverbands, auf der regelmäßig plump-hetzerische Beiträge über Linke und MigrantInnen verbreitet werden.
Eine weitere interessante Person, wenn auch nicht aus VS, sondern aus Tuttlingen, ist der AfD’ler Julian Johannsen. Dieser ließ sich in Tuttlingen zur Wahl auf der parteiunabhängigen Liste „InnoTUT“ aufstellen. Dabei verschwieg er den ahnungslosen Initiatoren der Wahlliste seine wahre politische Gesinnung. Als er dann mit rechtspopulistischen Statements an die Öffentlichkeit trat, distanzierte sich „InnoTUT“ von Johannsen. Trotz dieses dreisten und plumpen Unterwanderungsversuchs, war sich die doppelstädtische AfD nicht zu schade, sich von ihm bei ihren Infoständen unterstützen zu lassen.
Weder normal noch demokratisch: Die Wahrnehmung der AfD in der Öffentlichkeit
Das Verhältnis von Medien und anderen Parteien zu der AfD ist geprägt von der Verkennung des rechtpopulistischen Charakters der neuen Partei oder zumindest einem verfehlten Umgangs damit.
Als Antwort auf Anfragen und Beschwerden verschiedener Bürger antworteten etwa verschiedene Kandidaten der SPD mit einem Leserbrief, die AfD sei zwar rechtspopulistisch, die gemeinsame Organisation eines Speeddatings am 20. Mai in der Schwenninger Gaststätte „Capitol“ sei allerdings ein legitimer und „demokratischer“ Akt.
Der CDU-Gemeinderat Friedrich Bettecken geht noch weiter und bekundet öffentlich in einem Statement, die AfD hielte er „weder für rechtsradikal noch für rechtspopulistisch“.
Die von den Lokalzeitungen „Neckarquelle“ und „Südkurier“ organisierten Veranstaltungen zu den Wahlen am 19. und 21. Mai in der Schwenninger BKK bzw. in der Villinger Tonhalle boten den Rechtspopulisten außerdem Raum, sich als „normalen“ Teil der kommunalpolitischen Landschaft darzustellen.
Hier zeigt sich, dass in der Öffentlichkeit noch weiter daran gearbeitet werden muss, die AfD zu demaskieren. Andere rechtspopulistische Projekte, wie die Kleinpartei „DIE FREIHEIT“ scheiterten unter anderem daran, dass sie in der Öffentlichkeit als rechtspopulistisch wahrgenommen wurden.
Die NPD/DLVH
Auf dem absteigenden Ast
Bei den Gemeinderats- und Kreistagswahlen erzielte die DLVH (Deutsche Liga für Volk und Heimat), die traditionell für die NPD im Schwarzwald-Baar-Kreis zu Kommunalwahlen antritt, lediglich noch ein Ergebnis von 2,5 Prozent. Damit bleibt der NPD-Mann Jürgen Schützinger zwar wie seit mehr als 30 Jahren im Gemeinderat, im Vergleich zu den Wahlen 2009, stellt dies jedoch eine Einbuße von 1,9 Prozentpunkten dar. Die Faschisten verloren auf kommunaler Ebene also annähernd die Hälfte ihrer Wähler.
Bei der Europawahl erzielte die NPD in Villingen-Schwenningen 0,9 Prozent. Damit lag das Ergebnis 0,3 Prozentpunkte unter dem bundesweiten Ergebnis. Im Vergleich mit der letzten Wahl 2009, wo die NPD gar nicht antrat, sondern nur die REP (Republikaner) und die DVU (Deutsche Volksunion; inzwischen in die NPD übergegangen), welche gemeinsam auf 2,2 Prozent kamen, bedeutet dies ebenfalls einen massiven Stimmenverlust für das extrem rechte Lager.
Hinterzimmer statt Straße
Die Aktivitäten der NPD/DLVH im Vorfeld der Wahlen beschränkten sich im Raum Villingen-Schwenningen lediglich auf NPD-Plakate, die, mehr schlecht als recht mit DLVH-Überklebern versehen, aufgehängt wurden. Ansonsten sind keine Veranstaltungen der Nazis öffentlich bekannt, mit Infoständen trauten sie sich ebensowenig auf die Straßen der Doppelstadt.
Lediglich die Stammtische der Rechten, die in Schwenningen nach wie vor im Easy Corner Pub und in Villingen seit Anfang des Jahres im Sudhaus am Münsterplatz stattfinden, sind für die Nazis noch Möglichkeiten mit ihrer Anhängerschaft in Kontakt zu treten. Daneben boten die großen Tageszeitungen Neckarquelle und Südkurier in zwei Diskussionsveranstaltungen dem Faschistenfunktionär Jürgen Schützinger die Möglichkeit, öffentlich zu hetzen.
In den letzten Jahren mussten die Faschisten in der Doppelstadt mehrmals erfahren, was
geschieht, wenn ihre Treffen öffentlich werden. So gab es diverse Aktionen gegen den Nazigasthof Bertholdshöhe und vor den Stammtischkneipen in Villingen und Schwenningen. Diese antifaschistischen Interventionen sind wohl der Hauptgrund für die Öffentlichkeitsscheue der Faschisten, was ihre Veranstaltungen angeht.
Viele Gründe für den Misserfolg
Woran das schlechte Ergebnis für die Nazis liegt, lässt sich natürlich nicht so genau sagen. Lag es an dem Unvermögen, öffentliche Veranstaltungen durchzuführen? Oder daran, dass sich die DLVH mit überklebten NPD-Propagandamaterial nach Außen zu sehr in die Nähe der Mutterpartei stellte? Im Gegensatz zu dieser war man hier vor Ort immer bemüht, ein etwas biedereres Image aufrecht zu erhalten, als es die NPD tat. Lag es vielleicht an der Kandidatur der AfD? Diese stellt immerhin eine – zwar nicht derart aggressiv aufretende – rechte Partei dar, die wesentlich größere Erfolgschancen hat als die krisengebeutelte NPD. Oder lag es an der fehlenden Strahlkraft, die der sichtlich alternde Spitzenkandidat Jürgen Schützinger inzwischen hat? Fortgeschrittenes Alter und diverse Gebrechen lassen ihn kaum noch als fähig erscheinen, rechte Hetze in den Kommunalparlamenten zu vertreten.
Welche Gründe eine wie große Auswirkung gehabt haben, lässt sich, wie oben erwähnt, nicht genau aufschlüsseln. Klar ist aber, das einige Faktoren zusammenkamen und dass die Faschisten bei uns, was Wahlergebnisse und Aktionsfähigkeit anbelangt, in einer miserablen Situation sind.
Fazit
Die AfD weiter angehen – der NPD den Saft abdrehen
Diese Betrachtungen zeigen, dass momentan die Rechtspopulisten der AfD bei uns relativ erfolgreich ist, während die Nazis von der DLVH/NPD relativ erfolglos vor sich hindümpeln.
Beziehbar ist dies sowohl auf die Wahlerfolge als auch auf die Fähigkeit, mit Aktionen rechte Hetze zu verbreiten und mehr Menschen zu erreichen.
Für uns als aktive AntifaschistInnen in der Doppelstadt bedeutet dies konkret, dass wir zum Einen weiter daran arbeiten müssen über die Hintergründe der AfD aufzuklären. Es gilt ihnen so ihre Anhängerschaft zu vergraulen. Der öffentliche Hype um die AfD wird in den nächsten Monaten und Jahren, wenn sie beginnen tatsächliche parlamentarische Arbeit zu machen und sich interne Flügelkämpfe entscheiden, wohl abnehmen. Dann muss es darum gehen, dass sie dann nicht mehr in der Position sind, weiter erfolgreich auf der politischen Bühne aktiv zu sein.
Zum Andern müssen die Faschisten der NPD/DLVH weiter angegangen werden. Es gilt ihre
Strukturen aufzudecken und ihre Treffpunkte, konkret also ihre Stammtische, anzugehen und darauf hinzuwirken, dass sie nicht mehr weiter ihre Hetze verbeiten können.
Dessen nehmen wir uns an. Rechtspopulisten und Faschisten sind nicht nur zu Wahlkampfzeiten aktiv. Es gilt in die Offensive zu gehen und weiter antifaschistischen Widerstand zu organisieren.
Keine Plattform für rechte Hetze!
Nazis und Rassisten keine Basis bieten!
Die Antifaschistische Aktion aufbauen!