Gewerkschaften und antifaschistische Bewegung können nur gemeinsam erfolgreich sein.
Frühsommer 2020 in Stuttgart: Nazis der „Identitären Bewegung“ klettern auf das Stuttgarter Gewerkschaftshaus, um medienwirksam gegen den DGB zu hetzen – kurz zuvor versuchte die faschistische Scheingewerkschaft „Zentrum Automobil“ GewerkschafterInnen und KollegInnen, die sie als Teil ihres Feindbildes „Antifa“ begreift, in der Öffentlichkeit zu brandmarken.
Propaganda und Drohungen von Rechts gegen diejenigen, die sich für die Interessen von Belegschaften einsetzen und sich gegen rassistische Spaltung wehren, sind aber nichts Neues in der Geschichte. Und wohin das führen kann, wissen wir: Heute beginnt es mit einer Propaganda-Besetzung des Stuttgarter DGB-Hauses, das dem Antifaschisten und KZ-Gefangenen Willi Bleicher gewidmet ist. Am 2. Mai 1933 endete es mit der Erstürmung der Gewerkschaftshäuser durch die SA und die Festnahme der GewerkschafterInnen. Es liegt an uns, die Warnsignale frühzeitig zu erkennen und zu handeln!
Im aktuellen Fall veröffentlichen Faschisten die Namen ihrer GegnerInnen in einem Internet-Posting. Zehntausende weitere Namen von NazigegnerInnen haben bewaffnete Nazistrukturen wie der NSU, das Hannibal-Netzwerk und die Gruppe „Nordkreuz“ auf Todeslisten gesammelt. Wir müssen jetzt zusammenhalten – Solidarität und Stärke zeigen!
Die rechte Scheingewerkschaft „Zentrum Automobil“ versucht sich schon seit längerem mit faschistischen Parolen in der Daimler-Belegschaft zu verankern. Jetzt nutzen sie eine Straßenauseinandersetzung, die sich am Treffpunkt der FaschistInnen für eine Demonstration ereignete und bei der eines ihrer Mitglieder erheblich verletzt wurde, um gegen Gewerkschaften Stimmung zu machen.
Ein kurzer Überblick reicht aus, um zu verstehen, mit was für einer Organisation wir es hier zu tun haben: Ihr Kopf, Oliver Hilburger spielte zwei Jahrzehnte lang in der Naziband „Noie Werte“, die den Soundtrack für das NSU-Bekennervideo lieferte und hatte persönlichen Kontakt zu einem Waffenbeschaffer der Naziterroristen. Er trat bei „Pegida“ in Dresden auf und arbeitet heute eng mit den Nazis der „Identitären Bewegung“ und dem Höcke-Flügel der „AfD“ zusammen. An seiner Seite: Rico Heise aus den Kreisen des internationalen Nazi-Netzwerks „Blood & Honour“, sowie Hans Jaus, ehemaliger Schatzmeister der offen faschistischen „Wiking-Jugend“ und etlichen weiteren Verbindungen in die Naziszene. „Zentrum Automobil“ versucht, sich als bodenständige Betriebsorganisation zu tarnen. Doch ihre führenden Mitglieder rekrutieren sich aus gewalttätigen Nazikreisen und pflegen Kontakte bis hin zum Rechtsterrorismus. Dass diese in gewalttätige Auseinandersetzungen verstrickt werden, ist deshalb alles andere als verwunderlich.
Den FaschistInnen geht es jetzt um klare Machtpolitik. „Zentrum Automobil“ präsentiert sich in einem weitverzweigten rechten Mediennetzwerk, in Videos und Solidaritätsaufrufen, als unschuldiges Opfer, sammelt Gelder und markiert mit der Online-Veröffentlichung von Namen und Bildern gleichzeitig die politischen Feinde. Die aufgeführten GewerkschafterInnen und KollegInnen stehen den FaschistInnen nicht nur wegen ihrer antifaschistischen Haltung im Weg, sondern gerade auch weil sie eine authentische Betriebspolitik im Interesse der Belegschaft umsetzen. Eine klassenkämpferische und solidarische Haltung unter den KollegInnen ist das genaue Gegenteil ihrer leeren Versprechungen und ständigen Hetze gegen Linke und Gewerkschaften.
Es ist lächerlich, dass die Rechten vorgeben, durch das Outing die „Verstrickungen“ von GewerkschafterInnen und antifaschistischer Bewegung aufzudecken. Die „Verstrickungen“ sind schließlich nichts, was man aus dem Verborgenen aufdecken müsste! Es gibt eine offene und solidarische Zusammenarbeit zum Beispiel in Bündnissen, die schon seit hundert Jahren besteht. Diese wird gerade in Zeiten von AfD, verstärkter rechter Betriebspolitik und diffusen rechten Massenveranstaltungen immer wichtiger. Antifaschismus ist ein Grundpfeiler gewerkschaftlicher Arbeit. Das steht nicht nur im Programm des DGB, es ist auch eine klare Konsequenz aus der Vergangenheit: Nie wieder darf sich die ArbeiterInnenbewegung entmachten und zerschlagen lassen!
Und auch die von „Zentrum“ in ihrem anklagenden Posting veröffentlichten Fotos zeigen eine solidarische Zusammenarbeit verschiedener AntifaschistInnen in der Öffentlichkeit, bei der es um die Unterstützung eines Daimler-Kollegen ging, der von zwei Rassisten systematisch mit NS-Propaganda bedroht wurde. „Zentrum“ unterstützte die beiden Täter mit einer öffentlichen Kampagne und vor dem Arbeitsgericht.
Es ist keine Überraschung, dass auch die „Identitäre Bewegung“ den Kampf von „Zentrum“ gegen die DGB-Gewerkschaften jetzt mit einer eigenen Aktion aufgreift. Sie sind nicht die ersten FaschistInnen, die in den vergangenen Jahren gezielt Gewerkschaftsstrukturen angegriffen haben: 2009 attackierten über 300 Nazis die 1. Mai-Demonstration des DGB in Dortmund mit Steinen, Flaschen, Feuerwerkskörpern und Holzlatten, unter ihnen auch der spätere Mörder von Walter Lübcke. 2015 stürmten 50 Nazis mit einer Kommandoaktion die DGB-Kundgebung am 1. Mai in Weimar, schlugen die TeilnehmerInnen mit Fahnen und Schildern und kaperten kurzzeitig das Mikrofon der Lautsprecheranlage für faschistische Parolen.
Gewaltsame Übergriffe auf Gewerkschaftsveranstaltungen sind dabei nur die konsequente Weiterführung der „Zentrum“ Politik: Rechte Stimmungen in Betrieben erzeugen, auffangen, über die Werkstore hinaus bestärken und den Rechtsruck in Zeiten von Krise und Unsicherheit anheizen. Wer bei ihnen nach Lösungen und Perspektiven für die aktuellen Probleme der ArbeiterInnen in der kapitalistischen Produktion sucht, geht leer aus. Keine Ansätze von konkretem Widerstand gegen den massenhaft angekündigten Stellenabbau. Keine Kritik daran, dass die notwendige technische Transformation der Automobil-Industrie auf dem Rücken der ArbeiterInnen durchgesetzt werden soll. Stattdessen Hetze gegen Gewerkschaften, Leugnung des Klimawandels und Hochglanz-Videos, um große Unterstützung für die eigene kleine Nazi-Clique zu bekommen.
Faschismus ist keine Meinung, Faschismus ist ein Verbrechen. Und dieses Verbrechen darf niemals wieder zugelassen werden. Daran gibt es nichts zu diskutieren. Es ist nicht nur eine Frage der Menschlichkeit, sondern auch die Frage nach der Rolle, die wir in dieser Gesellschaft spielen wollen: Wollen wir uns das Recht nehmen lassen, selbstbestimmt für unsere Rechte und sozialen Interessen einzustehen und zu kämpfen? Wollen wir ein weiteres Mal in diesem Land im nationalistischen Taumel zwischen den rechten Hetzern und dem Profitstreben von Unternehmen zerrieben werden? Das darf nicht passieren und dafür reicht es nicht aus, Flagge zu zeigen. Wir müssen uns der Auseinandersetzung stellen: Aktive Gegenwehr überall dort, wo faschistische Tendenzen sichtbar werden! Handfest auf der Straße und klar orientiert an den sozialen Gemeinsamkeiten und Kämpfen derjenigen, die vom deutschen Kapital in Unsicherheit, Arbeitslosigkeit und Armut gestürzt werden. Wir müssen Verantwortung übernehmen:
> Keine Spaltungen in der antifaschistischen Bewegung! Antifaschistische Strukturen, die den politischen Kampf gegen Rechts auf verschiedenen Ebenen organisieren, sind ebenso notwendig, wie eine klare antifaschistische Politik in Betrieb und Gewerkschaft. Die Formen und Mittel unseres Kampfes und auch unsere Einschätzungen gehen immer wieder auseinander. Wenn wir diese Widersprüche aber immer wieder an konkreten Fällen untersuchen und offen diskutieren, wenn unsere Aktivitäten verschiedene politische und aktionistische Ebenen beinhalten, dann muss uns das nicht zwangsläufig bremsen, sondern kann zu einem Motor der Zusammenarbeit werden. Dafür brauchen wir einen aufrichtigen, solidarischen Umgang miteinander. Das muss oberste Priorität haben!
> Solidarität unter all denjenigen, die für soziale Perspektiven in Betrieben und in der Gesellschaft einstehen! Wir stehen vor und hinter den KollegInnen, die „Zentrum Automobil“ mit ihrer Hetze ins Fadenkreuz genommen hat!
> Verstecken wir uns nicht! Den Lügen und Verschwörungstheorien von Rechts begegnen wir am besten, indem wir jetzt dort zusammen kämpfen und Verantwortung übernehmen, wo die aufkommende Krise die Menschen trifft, verunsichert und wütend macht: Für unsere Interessen in Betrieben und Stadtvierteln, für eine Gesundheitsversorgung jenseits von Profit und Gewinn, für eine Wirtschaft die den Planeten nicht weiter zerstört, gegen die Ungleichbehandlung und Unterdrückung von Frauen!
Für Solidarität und Klassenkampf!
Für eine vielfältige antifaschistische Bewegung!
Antifaschistische Aktion Karlsruhe
Antifaschistische Aktion (Aufbau) Mannheim
Antifaschistischer Aufbau München
Antifaschistische Aktion (Aufbau) Stuttgart
Antifaschistische Aktion Südliche Weinstraße
Antifaschistische Aktion (Aufbau) Tübingen
Antifaschistische Aktion [O] Villingen-Schwenningen
Antifaschistische Perspektive Ludwigsburg / Rems-Murr
Im Juni 2020